27. März 2015
Ahoi Nachbar // Zuhause zwischen zwei Ländern
Die Kieler 2-Zimmer-Wohnung von Raumstrategie-Studentin Doumorh wirkt an diesem sonnigen Frühlingsnachmittag wie in Karamell getaucht. Nostalgische Kerzenhalter aus Messing, grafische Kissen, die olivgrüne Wand – alles scheint von einem goldgelbem Schleier ummantelt zu sein. Im Wohnzimmer unterstützt das Licht einer großen Lampe aus vergilbten Buchseiten diesen Eindruck. „Die Lampe habe ich mit einem meiner Neffen gebastelt – er hat sie Leselampe getauft. Das ist eine schöne Erinnerung an einen schönen Tag“, erzählt Doumorh mir lächelnd. Unter die Lampe hat sie eine Sitzecke aus Holzpaletten gestellt. Darauf liegen Matratzen und zahlreiche Kissen. Die Holzpaletten sind niedrig gestapelt – Doumorh erinnert das an traditionelle arabische Sitzlandschaften in ihrem Heimatland Libanon. Da die 25-jährige gerne Besuch hat, sollte das Wohnzimmer vor allem viel Platz für Freunde bieten. Auf den alten Dielen vor dem Fenster liegt ein auffälliger Teppich – zusammengesetzt aus dreieckigen Lederproben in bunten Farben. Auch ihn hat Doumorh selbstgemacht. Die Idee dazu kam ihr während der Arbeit in einem Laden für Designermöbel in ihrer früheren Heimat Lüneburg, als für einen großen Berg an Lederproben erst keine Verwendung gefunden werden konnte. Auf dem Teppich steht Doumorhs ganzer Stolz: Ein Eames Plastic Armchair RAR von Vitra.
„Im Schlafzimmer fällt mir sofort eine schwarze MDF-Platte auf, die an die Wand hinter dem Bett gelehnt ist. Mit einem Laser-Cutter gravierte Doumorh die erste Sure des Korans „ Al-Fātiḥa“ ein. Sie sagt: „Religion sollte jeder mit sich selbst ausmachen. Man kann sie nach außen tragen, viel wichtiger finde ich aber, dass man sie versteht, sie wahrt und tief in sich trägt.“
2012 zog Doumorh für ihr Studium an der Muthesius Kunsthochschule nach Kiel. Und auch hier arbeitet sie nebenbei in einem Inneneinrichtungsladen – bei room. Außerdem verdient sie sich ihr Geld ein paar Mal die Woche im Prinz Willy. „Bei room beschäftige ich mich mit dem, was ich studiere; im Prinz Willy tauche ich ab in eine Welt voller Musik und neuen Bekanntschaften – ich liebe diese Kombination.“
Nach ihrem Studium zieht es Doumorh in die Großstadt. Nur hier kann sie sich kreativ entfalten und ihren Berufswunsch in der Ausstellungskonzeption oder dem Bühnenbild ausleben. Bis das soweit ist, macht sie es sich in ihrem jetzigen Zuhause so angenehm wie möglich. „Manche Studenten leben sehr sparsam und können daher viel reisen. Ich investiere mein Geld gerne in gute Lebensmittel und schöne Dinge für meine Wohnung – obwohl ich auch gerne mehr von der Welt sehen würde.“ Ein gemütliches, persönliches Zuhause ist Doumorh sehr wichtig.
Während meines Besuchs hören wir Untergrundmusik aus Beirut und schauen uns Trailer von libanesischen Filmen an. Für mich ist das neu und aufregend. Ich habe das Gefühl, in eine andere Kultur abzutauchen, sauge interessiert all die Geschichten auf, die mir Doumorh erzählt. So erfahre ich von ihr, dass viele der Songtexte und Filme gesellschaftskritische Aussagen haben. Dabei wird das Ganze mit einer Prise Ironie versehen. „Im Libanon werden ernste Themen häufig mit einem Lächeln kombiniert. Diese Einstellung eigneten sich die Menschen aufgrund der zahlreichen Kriege an – irgendwie mussten sie mit diesem schlimmen Alltag ja klar kommen. So können auf der einen Straßenseite Bomben fallen und auf der anderen werden schon wieder Feste gefeiert. Hier wird der Moment gelebt!“
Das Thema Krieg und Stärke bearbeitete Dumorh in einer ihrer Kunstarbeiten. In drei verschiedenen Schwarz-Weiß-Nuancen druckte sie Kriegsbilder im Miniaturformat aus und setzte diese zu einem männlichen Körper zusammen. Ich stehe minutenlang vor dem emotionalen Werk und lasse die Bilder auf mich wirken.
Eine Wand im Wohnzimmer ist fast komplett mit bunten Fotos geschmückt. Sie zeigen lebensfrohe Familienfeste, strahlende Gesichter und Eindrücke von Doumorhs Reisen in den Libanon oder nach Barcelona. Im Vergleich zu ihrer sonst eher modernen Wohnung findet sie das manchmal zwar ein wenig altmodisch, auf die Bilder mit den Erinnerungen will sie aber dennoch nicht verzichten. „Die gehören einfach zu mir“, erzählt sie.
Doumorh ist eine ganz besonders herzliche Gastgeberin – das darf ich bei meinem Besuch persönlich erfahren. Immer wieder fragt sie mich, ob mir irgendetwas fehlt. Habe ich Hunger oder Durst, ist mir zu kalt? Ich bekomme arabische Gastfreundschaft zu spüren – die volle Portion. Kurz bevor ich mich wieder verabschiede, kocht mir Doumorh noch eine köstliche Linsensuppe mit Koriander, Kokosraspeln und orientalischen Gewürzen. Beim Essen verabreden wir uns für ein weiteres Treffen. Wir wollen wieder kochen – dieses Mal asiatisch aus dem Wok.
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