4. November 2016
Auf dem Reeperbahn-Festival // Zwischen Schall, Rauch und bunten Lichtern
Beim alljährlichen, Ende September stattfindenden größten Club Festival Europas, dem Reeperbahn-Festival, finden in etwa 70 Locations rund um die Reeperbahn kleine bis mittelgroße Konzerte statt. In erster Linie treten hier eher unbekannte Bands und Musiker unterschiedlicher Musikrichtungen und aus verschiedenen Ländern auf. Dazwischen finden sich ein paar Headliner, die bereits eine gewisse Bekanntheit genießen und sicher auch den ein oder anderen Festivalbesucher mehr anlocken. Dieses Jahr zählte dazu zum Beispiel Get Well Soon aus Berlin. Das wirklich Besondere an der Veranstaltung stellt für mich das Entdecken von bisher eher unbekannten, dabei aber oftmals sehr guten Newcomer Bands dar, die sich teilweise kurz vor dem Durchbruch zu befinden scheinen oder einfach nur mit Leidenschaft Musik machen wollen. Deshalb steht das Reeperbahn-Festival gerade bei Journalisten und echten Musikliebhabern so hoch im Kurs. Hier gibt es genug Material für interessante Rezensionen von bisher eher unrezensierten Konzerten und jede Menge neuen Stoff für den Plattenspieler.
Bei meiner Ankunft am Mittwochabend ist es auf der Reeperbahn bereits gut, dabei aber noch angenehm gefüllt. Besonders auf dem Spielbudenplatz tummeln sich die Menschen zwischen aufwendig arrangierten Lichtprojektionen und unzähligen Foodtrucks. Über allem hier schwebt eine Mischung aus Zigarettenrauch und Grilldampf. Es ist bereits dunkel, als ich, vorbei an den blinkenden Lichtern der Leuchtreklamen, zum Pressezelt gehe. Meinen Augen fällt es schwer Fixpunkte zu finden – zu viel Buntes gibt es, das meine Aufmerksamkeit herumwirbeln lässt wie einen Ping-Pong-Ball. Wenn die Dunkelheit einbricht, ist die Reeperbahn an sich eigentlich schon aufregend genug. In Verbindung mit dem Festival hat sich hier eine mitreißende Mischung aus Schall, Rauch und Dosenbier zusammengebraut.
Spannendes, wohin das Auge reicht. Extravagant gekleidete Musiker holen sich Bier am Astrastand, bevor es zu ihrem Auftritt geht. Fotografen und Journalisten mit blauen Presseausweisen eilen von einer Konzertlocation zur anderen. Dazwischen die klassischen Reeperbahn-Besucher mit runden Bäuchen und speckigen Hemden neben interessierten Festivalgästen, in erster Linie aus Hamburg und dem Umland. Ich könnte hier auch den ganzen Abend über einfach sitzen bleiben und das Treiben beobachten. Könnte ich – aber da gibt es ja noch viel mehr zu sehen und vor allem zu hören.
Direkt am ersten Abend lerne ich schmerzlich: Man muss sich früh genug auf den Weg zu den Konzerten seiner Wahl machen. Ein Spaziergang auf der Reeperbahn kann sehr lang sein – vor allem dann, wenn auf die alltägliche Besuchermasse nochmal etwa 38.000 Festivalbesucher hinzukommen, durch die man sich auf seinem Weg von Konzert zu Konzert schlängeln muss. Eine halbe Stunde vor Beginn ankommen und sich in die, meist schon recht lange Schlange reihen, reicht oft nicht aus, um noch in die Location zu gelangen. Das hat den Grund, das die meisten Konzerte in eher kleinen Clubs stattfinden und dementsprechend natürlich auch schnell voll sind. Draus gelernt: immer frühzeitig kommen, dann lange Schlange stehen, dabei das bunte Treiben beobachten – und weiter gehts.
Das erste richtig gute Konzert, das ich mir anhöre, spielen The Entrepreneurs – ein Noise-Rock-Trio aus Dänemark. Sie treten vormittags in der stickigen SkyBar des legendären Molotow Clubs und nachts nochmal in der Pooca Bar auf. Ebenfalls ziemlich gut finde ich die Auftritte der Indie-Rock-Band Bombay aus Amsterdam, der Sick Hyenas aus Hamburg und von Island aus England. Und auch eine Kieler Band ist vertreten: Leoniden.
Zwei kleine Wehrmutstropfen gibt es dann aber auch: Leider wird der Auftritt von Peter Doherty, der eigentlich in einer ziemlich außergewöhnlichen Location – einem stillgelegten U-Bahnhof – spielen sollte, abgesagt. So muss ich mich mit dem Anblick eines klassischen Doherty-Konzerts zufrieden geben – einer leeren Bühne. Krönender Abschluss meines Festivalsbesuchs soll dann für mich der Auftritt von Get Well Soon in der Großen Freiheit sein. Vielleicht sind meine Erwartungen zu hoch, vielleicht bin ich am Ende von vier Tagen Reeperbahn-Action einfach zu erschöpft – letztendlich will der Funke zwischen Sänger Konstantin Gropper, seiner breit aufgestellten musikalischen Untermalung und mir einfach nicht überspringen.
Das Reeperbahn-Festival lässt mich erschöpft, aber glücklich zurück nach Kiel fahren. Die einzigartige Atmosphäre – die Mischung aus Reeperbahn-Gefühl, guter Livemusik und einer Umgebung voller Kontraste macht dieses Festival so besonders für mich. Nächstes Jahr werde ich mich hier wieder inmitten von Schall und Rauch stürzen, keine Frage! Das kommende Reeperbahn-Festival findet vom 20. bis 23.09.2017 statt – hoffentlich sehen wir uns dort!
1 Kommentar
Phil
6. November 2016
wenn ich diese Bilder sehe bekomme ich direkt wieder Lust auf Sommer und Open Air Festivals…. auch wenn der Herbst schön ist… der Sommer ist und bleibt meine Lieblingsjahreszeit 😛