Ahoi Nachbar // Ein Zimmer, hundert Details

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Johanna öffnet die Tür zu ihrer 1-Zimmer-Wohnung in einem Abzweiger der Holtenauerstraße. Vor mir steht eine 24 jährige Frau mit mädchenhaften Gesicht und wärmenden Hausschuhen aus Schaffell. Anfangs sind wir beide ein wenig aufgeregt. Auch ich verspüre immer noch ein leichtes Kribbeln im Bauch, wenn ich die Wohnungen von Fremden betrete. Nach einer herzlichen Begrüßung stehe ich in dem großen Flur des Nachkriegsbaus mit 50er-Jahre-Parkett. „Ohne Holzfußboden wäre ich hier nicht eingezogen – ich habe da einen kleinen Fetisch“, erzählt Johanna. Von dem Flur aus gehen das schmale Badezimmer, die kleine Küche mit Balkon und der eigentliche Raum ab. Ein Zimmer zum Schlafen und Wohnen. 20 Quadratmeter, die Johanna optimal genutzt hat. Die finanziellen Mittel der Studentin sind begrenzt, trotzdem hat sie sich ein gemütliches und modernes Nest gebaut. Ein Jahr lebt sie schon hier, in ihrer liebgewonnen Wohnung mit vielen Details.

Alt und neu vermischt sich mit Farbe und grafischen Mustern. Sanftes Türkis und kräftiges Gelb verleihen dem Raum Frische und ein Gefühl von Frühling am Meer. Vasen mit Tulpen unterstreichen diesen Eindruck. Vor dem großen Fenster steht ein mit haptischem Samtstoff bespannter Cocktailsessel, daneben eine alte schwarze Truhe und ein moderner Tisch der Firma by Lassen aus Kopenhagen, ebenfalls in Schwarz. Auf ihnen hat Johanna Kerzenständer, Teelichthalter und durchsichtige Apothekerflaschen platziert. „Die Truhe habe ich von meinen Großeltern bekommen. Damals haben sie darin den Fernseher aufbewahrt. Er wurde nur zu besonderen Anlässen hervorgeholt.“ Die Truhe muss schon sehr alt sein. Auf ihr kleben Sticker der niederländischen Eisenbahn in verschnörkelter Schrift; die abgenutzten Trageriemen aus Leder scheinen zu zerfallen, sobald man sie berührt.

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„Besondere Hingucker sind mir wichtig – in überschaubaren Dosen. Bei dem Einrichten von kleinen Räumen achte ich darauf, dass ich mich nicht zudekoriere. Außerdem finde ich Farben sehr wichtig. Ich liebe die Energie, die meine türkisfarbenen Details ausstrahlen. Daneben ist dann viel Weiß und ein optisches Strecken der Wände nach oben wichtig“, verrät Johanna.

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Johannas Einrichtung erweiterte sich im Juni 2014 mit einem traurigen Ereignis: Ihre Großmutter verstarb. Von ihr erbte sie zahlreiche Lieblingsstücke, die sie mit besonderen Erinnerungen an ihre Jugend und die Liebe zum Meer verbindet. „Meine Großeltern lebten in einer wunderschönen Wohnung auf Sylt; in einem der wenigen Altbauten der Insel. Hier habe ich unzählige glückliche Stunden verbracht“, erzählt Johanna.

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Nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter besuchte sie die Wohnung ein letztes Mal und suchte sich das aus, was sie mitnehmen wollte. Ohne lange nachzudenken entschied sie sich für ein großes Stück Treibholz, welches an den Nordseestrand gespült und von der Großmutter mit nach Hause genommen wurde. Das Stück Holz hat Johanna über ihrem Bett befestigt und ein Kabel samt Glühbirne herumgewickelt. Auch nahm sie zahlreiche Aquarellbilder mit. „Meine Oma liebte die Natur und Gärten. Sie malte am liebsten bunte Blumen.“

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Kurz bevor ich mich wieder auf den Heimweg mache, zeigt mir Johanna noch einen ganz besonderen Schatz. Ihre Großeltern fanden im Laufe ihres Lebens eine Flaschenpost nach der anderen. Über die Jahre kam so eine beachtliche Sammlung zustande, die Johanna nun in einer großen Holzkiste bei sich im Regal aufbewahrt. Enthalten sind Fotos von Kindern, Wörter auf vergilbten Papier – geschrieben mit Wachsmalstiften oder auch ein scheinbar letzter Hilfeschrei: „Help me. I am on the bridge.“