Auf der Suche nach neuen Inspirationen schaue ich mehrmals im Monat voller Erwartungen in dem Inneneinrichtungsladen Stattfein vorbei. Beim Stöbern durch die alten Möbelstücke fühle ich mich dann an Sommertage im Garten der Großmutter erinnert; ich denke an den Geschmack von frischer Limo und schweife ab in ferne Welten. Oh ja – Stattfein zählt zu meinen absoluten Kieler Lieblingsplätzen. Da es hier zu meiner großen Freude seit einiger Zeit auch eine kleine Café-Ecke gibt, können die Besucher nun entspannte Stunden inmitten dieses einzigartigen Ambientes verbringen. Bei Kaffee und Keksen darf man es sich auf Cocktailsesseln, alten Sofas und verschnörkelten Gartenstühlen bequem machen – eine Runde Probewohnen quasi. Dabei besteht die Möglichkeit, durch eine Vielzahl an hochklassigen Interior-Magazinen und fachbezogenen Büchern zu blättern. Immer wieder komme ich an diesen Nachmittagen mit Inhaberin Maren ins Gespräch.

Maren ist lebensfroh und lächelt gerne. Sie wirkt entspannt auf mich, ist zurückhaltend und leise – diese Kombination mag ich sehr gerne an ihr. Wenn wir uns unterhalten, dann reden wir meist stundenlang über das liebe Leben. Zuletzt erfuhr ich, dass Maren gelernte Requisiteurin ist. Jahrelang dekorierte sie mit viel Herzblut die Sets von lokalen Filmproduktionen. An fast jedem Drehort brachte sie irgendwo das gerahmte 50er-Jahre-Porträt eines Mädchens an. „Das war mein heimliches Markenzeichen“, verrät sie mir. Schon früh merkte Maren, dass sie am liebsten mit nostalgischen Bühnenbildern arbeitete. Diese Vorliebe für Überbleibsel aus vergangenen Jahrzehnten entstand in ihrem Elternhaus.

Als Kind lebte sie mit ihrer Familie in einer Bäderarchitektur-Villa bei Lübeck. Das halbe Haus war damals noch mit den alten Möbeln der Vorbesitzer eingerichtet. Immer wenn Maren nach einer Veränderung strebte, kletterte sie auf den Dachboden hinauf und holte sich von dort neue-alte Möbel für ihr Kinderzimmer. Maren staubte die Stücke ab und bestrich sie mit frischer Farbe. Diese Angewohnheit entwickelte sich zu einer Leidenschaft, die sie bis heute in sich trägt. „Seit ich denken kann interessiere ich mich für die Geschichten von Dingen und Räumen“, sagt sie.

Auch Marens Mann Nils ist dem Charme von alten Möbeln erlegen. Deshalb fassten beide vor einem Jahr den mutigen Entschluss, ein Geschäft für Vintage-Möbel zu eröffnen. Mit Erfolg – die Beiden gehen voll und ganz in ihrer Arbeit auf. Wenn man Stattfein betritt, dann merkt man wie viel Talent und Herzblut in dem liebevoll dekorierten Laden am Kleinen Kuhberg in Kiel steckt. Aus der ehemaligen Kneipe zauberte das Ehepaar ein Paradies für Inneneinrichtungsliebhaber und Freunde der mentalen Zeitreise.

„Damit bei der Aufarbeitung nicht alles Schöne weggeschliffen wird, machen wir das Meiste vorsichtig von Hand. In erster Linie möchten wir die Geschichte aufdecken und dann dezent etwas Neues draufsetzen.“ Maren lächelt. Viel Mühe und Fleiß stecken die beiden tagtäglich in die Aufarbeitung der meist in Schweden gekauften Möbel. Um neue Liebhaberstücke zu finden, legen Maren und Nils regelmäßig eine weite Strecke mit ihrem großen Auto zurück. Anders als in Deutschland stoßen sie in Skandinavien auf eine stark ausgeprägte Möbelkultur. Hierzulande wurde im Krieg vieles zerstört oder später auf Grund von negativen Erinnerungen weggeschmissen. In Schweden hingegen werden alte Möbelstücke stärker wertgeschätzt und sind dadurch auch oft besser erhalten.

Raum der Inspiration // So entsteht die Nachbildung eines nostalgischen Klassenzimmers

Da Maren ihre Arbeit als Filmausstatterin manchmal ein wenig vermisst, hat sie sich kurzerhand einfach ein persönliches Set inmitten ihres Ladens eingerichtet. Auf diesem Weg schafft sie sich nun einmal im Monat ein kreatives Ventil und dekoriert alles nach Belieben um. Der kleine Raum ermöglicht es ihr, sich ein Stück weit vom restlichen, eher einheitlichen Stattfein-Stil abzuheben. Hier kann sie noch abwechslungsreicher und freier arbeiten. Regelmäßig streicht Maren die Wände neu an und entwickelt originelle Mottos für die knapp sechs Quadratmeter große Fläche. Bei diesem Prozess habe ich ihr einmal über die Schulter geschaut.

Auf der Suche nach neuen Gestaltungsinspirationen können die verschiedensten Einflussfaktoren eine wichtige Rolle spielen. Meist existiert in Marens Kopf bereits eine Grundidee, an der sich das Drumherum orientiert. In diesem Fall fand sie ihre Anregung anhand einer verspielt gepunkteten Blechdose. Da sie ein aktuelles Thema aufgreifen wollte, entstand zum Schulbeginn ein nostalgisches Klassenzimmer. Die Blechdose inspirierte sie dazu, das eher trockene Thema mit bunten Farbklecksen aufzupeppen – so wie auch verspielte Kinder einem Klassenzimmer erst Leben einhauchen. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen stellte Maren sämtliche Utensilien erst einmal lose in den Raum.

Ein paar Tage zuvor hatte sie auf einem Flohmarkt in Süddeutschland geeignetes Material gefunden. Mit dabei war unter Anderem eine Auflistung verschnörkelter Buchstaben aus einer alten Deutsch-Fibel; die großen Tafeln hingen früher überall in den Klassenzimmern, da nicht jede Familie das Geld für ein eigenes Buch besaß. Auch fand Maren Schulbänke aus den 20er Jahren, Arbeitstische aus Zeiten der Jahrhundertwende und eine märchenhafte Schulhofuhr – um 15.22 Uhr stehengeblieben. Da Maren es besonders gerne mag, wenn sich Inspiration und Persönlichkeit vermischen, hatte sie auch noch ein paar Tim-und-Struppi-Hefte mitgebracht. Leider nicht aus der eigenen Kindheit, aber trotzdem mit starkem, persönlichen Bezug. „Ich habe die Comics früher nur so verschlungen. Für mein Klassenzimmer-Projekt wurden diese Exemplare nun mit leuchtenden Augen von mir wiederentdeckt. Sie sind so richtig schön zerfleddert und erinnern mich an meine Jugend – die verkaufe ich nicht“, schmunzelt Maren.

Als Kontrast zu den sachlichen Schulmöbeln und dem damit verbundenen Ernst des Lebens kam Maren die Idee, bunte Farbtupfer an den Wänden platzieren. Mit Hilfe von Tellern und Tassen zeichnete sie unterschiedlich große Kreise auf die weiße Untergrundfarbe. Dafür verwendete sie Kreide aus dem Bastelladen, welche im Anschluss mit einem Spray fixiert wurde. Als Gegenstück zu den zweckgebundenen Gegenständen wie Globus oder Uhr befestigte Maren Stühle an den Wänden und stellte filigrane Glasvasen auf die Sitzflächen. Sie wollte das Ganze sachlich und gleichzeitig verspielt umsetzen. Die gläsernen Vasen stellen Seifenblasen dar, die scheinbar schwebenden Stühle erinnern mich an das luftige Kaffeekränzchen in dem Musicalfilm Mary Poppins.

Bis auf Marens heißgeliebte Tim-und-Struppi-Bücher kann man alle abgelichteten Einrichtungsstücke bei Stattfein kaufen. In erster Linie soll der „Raum der Inspiration“, wie die Bezeichnung schon erahnen lässt, zur Ideen-Anregung dienen. Für die Zukunft habe ich mir vorgenommen, weitere Umwandlungsprozesse festzuhalten und mit Euch zu teilen. Habt auch ihr Interesse an weiteren Artikeln in der Art? Lasst es mich gerne in den Kommentaren oder via E-Mail wissen. In Marens Kopf entwickeln sich auf jeden Fall schon wieder jede Menge neue Miniatur-Sets zum Austoben und Kreativsein – Ihr könnt gespannt sein!

Besuche Stattfein:

Nachtrag: Stattfein ist umgezogen und befindet sich nun hier.

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